Bogida – wo liegt das Problem?

Von | 16. Dezember 2014

Sorgen über Parallelgesellschaften und Kulturen, deren Rechtsverständnis ein anderes ist als das unserer verfassungsmäßigen Grundordnung, sind weit verbreitet und berechtigt. Auch werden Politiker oft erst durch Proteste von „Wutbürgern“ auf Probleme aufmerksam, die sie sonst gern ignorieren.Aber sind Demos hier das richtige Mittel?

Nun demonstrieren am 15.12.14 besorgte Bonner und Angereiste gegen Islamisierung durch Immigranten.

Sorgen über Parallelgesellschaften und Kulturen, deren Rechtsverständnis ein anderes ist als das unserer verfassungsmäßigen Grundordnung, sind weit verbreitet und berechtigt. Auch werden Politiker oft erst durch Proteste von „Wutbürgern“ auf Probleme aufmerksam, die sie sonst gern ignorieren. Insoweit sind öffentlich Aktionen verständlich und berechtigt.

Aber sind Demos hier das richtige Mittel? Sie haben neben der beabsichtigten Wirkung ggf. auch weitere, die von dem einem beabsichtigt sein mögen, vom anderen nicht. Z.B. ist es nicht abwegig, wenn sich muslimische Mitbürger, die in ihrer großen Mehrheit alles andere als Salafisten sind, durch Motto und Reden auf der Demo falsch beurteilt, diskreditiert und abgelehnt fühlen. Da sollte man Rücksicht nehmen. Wir sind Nachbarn und leben gemeinsam in einer Stadt.
Wichtig ist auch, wer einlädt und veranstaltet. Die Gesellschaft falscher Gesellen verdirbt alles.

Und die Islamisierung? Der Islam ist ähnlich vielfältig wie andere Religionen. Tendenzen zur Zunahme von Fundamentalismus sind bei vielen Religionen zu beobachten. Alle Religionen wurden schon für Herrschaftszwecke und Kriege missbraucht. Alle haben auch zu ethischem Verhalten der Menschen wichtige Beiträge geleistet. Nicht zu vergessen: Auch das Christentum ist aus dem Orient nach Europa eingewandert, gehört wie Judentum und Islam zu den abrahamitischen Religionen. Dass die politische Situation in West- und Mitteleuropa Renaissance und Aufklärung ermöglicht hat, kostete damals viele Kriege, ehe sie zu Demokratie und Menschenrechten führten.

Die Sorge über eine Verdrängung und Überfremdung hat Ursachen im „christlichen Abendland“ selbst. Inwieweit ist es überhaupt noch christlich? Gläubigkeit und Kirchenbesuch sinken, Materialismus, Hedonismus und Nihilismus sind auf dem Vormarsch – oder? Die Gesellschaften polarisieren sich in reichere Reiche und zunehmende Armut. Vollbeschäftigung zu auskömmlichen Löhnen – ein sehr gutes Integrationsmittel – ist seit langem nicht mehr gegeben. Leben wir christliche Werte? Ich finde: Europa ist zu wenig vorbildlich!

Und unsere eigene Zukunftsfähigkeit? Mit unserer Geburtenrate wird sich unsere Bevölkerungszahl binnen zweier Generationen schlicht halbieren. Das führt nicht nur zu Problemen bei den Renten. Auch Immobilien werden im Wert erheblich sinken, wie das in manchen ländlichen Räumen heute schon zu beobachten ist. Mieten als Alterseinkommen fallen aus. Infrastruktur wird teuer und verfällt. Rückbau, wie ihn der Westen im Osten Deutschlands finanziert hat, ist großflächig nicht mehr bezahlbar. Ohne Immigranten wären wir dann alle zusammen arm dran.

Wir müssen unsere Sorgen den richtigen Ursachen zuordnen, nicht billig Schuld bei Fremden suchen. In anderen europäischen Ländern, wo wir Deutsche Fremde sind, z.B. in Italien, suchen viele die Schuld für die dort selbst gemachten Probleme bei uns Deutschen mit der uns zugeschriebenen Euro-Stabilitätspolitik. Ursache für unsere Probleme müssen wir bei uns und unserer Politik suchen. Wir müssen selbst besser werden – wirtschaftlich, sozial, politisch und im Wissen um Kulturen und Religionen.

Daher meine ich: Wir brauchen keine Konfrontationen, auch keine Verdrängung von Problemen, sondern Verständigung.

HFR