Seit langem ist es bekannt: anscheinend sind wir Bonner Bürger schuld an zu hohen Stickoxidwerten (NOx). Mehrfach in Folge ist in der Vergangenheit der Grenzwert von 40 mg/m3 überschritten worden. Die Schuldigen werden auch benannt, es sind vor allem diejenigen, die Diesel-PKW fahren. Auch die Müllverbrennungsanlage trägt einen erheblichen Teil dazu bei. Und schon gibt es Forderungen, dass an den Tagen mit besonderer NOx-Belastung Diesel-PKW nicht fahren dürfen. Auch die Frage, ob man die Müllverbrennungsanlage zeitweise runterfahren könne, wurde diskutiert.
Tatsächlich tragen aber nicht nur Bonner Bürger und die Müllverbrennungsanlage, sondern im besonderen Maße die Lage Bonns zu der ungewöhnlichen hohen NOx-Belastung bei. Zum einen ist es die Kessellage, die den Luftaustausch erschwert und deren Frischluftschneisen in der Vergangenheit zugebaut wurden (z.B. Melbtal und Messdorfer Feld) und auch noch in Zukunft werden (z.B. Freiflächen neben der DB-Schienentrasse). Zum anderen trägt der Schwerlastverkehr auf den Autobahnen, der durch und um Bonn herum geführt wird, zu der hohen Belastung bei. Nahezu alle Städte, die durch zu hohe Stickoxidwerte aufgefallen sind, liegen an wichtigen transeuropäischen Verkehrsachsen. Zum Beispiel Stuttgart. Stuttgart ist mit Bonn in Bezug auf Kessellage und Verkehr (mehrere Autobahnen) vergleichbar. Das Ministerium für Umwelt des Landes Baden-Württemberg gab in den 90er Jahren umfangreiche Messungen in Auftrag. Dabei kam heraus, dass auf das Jahr 1995 bezogen 37% der Stickoxide in Stuttgart durch den Gütertransport entstanden. Zusammenfassend stellt das Gutachten fest, dass die Autobahnen eindeutige Emissionsschwerpunkte sind und dort der LKW-Verkehr überproportional zu den Emissionen beiträgt. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt das Umweltbundesamt.
Aber gerade diesen Zusammenhang sieht die EU-Kommission nicht, denn sie will, das Städte/Regionen, in denen zu hohe Messwerte festgestellt werden, Strafen an die EU zahlen müssen. Dies ist mehr als paradox, da gerade die Europäische Union den Gütertransport quer durch Europa mit zahlreichen Subventionen gefördert hat und immer noch fördert und dadurch entscheidend zu der Grundbelastung an Stickoxiden in Deutschland, das als Transitland besonders betroffen ist, beiträgt.
Zum Beispiel werden gut eine halbe Milliarde Tiere jährlich auf Europas Autobahnen transportiert. Man transportiert Ferkel, die in Dänemark geboren werden, nach Deutschland zum Mästen und nach einem guten halben Jahr nach Italien zum Schlachten. Und die Prognosen sehen diesbezüglich düster aus. Laut Umweltbundesamt wird der Güterverkehr zwischen 2005 und 2025 um ca. 60% zunehmen. Und die Stickoxidbelastung betrifft nicht nur die Städte sondern auch die Fläche; so wird in einem Sachverständigenbericht von 2005 davor gewarnt, dass auf 90% der Waldflächen der Stickstoffeintrag durch NOx zu hoch sei.
Zurück zu Bonn: Man wird vielleicht einige Maßnahmen beschließen, die auch im Einzelnen sinnvoll sein können, wie die Förderung des nicht motorisierten Individualverkehrs. Wir müssen unsaber realistischer Weise klar machen, dass die Maßnahmen, um die Stickoxidwerte zu senken, kaum mehr als kosmetischen Charakter haben werden, da es nicht in der Macht der Stadt Bonn liegt, einen der wichtigsten Emittenten, nämlich den überregionalen Güterverkehr, auszuschalten. Hier sind die Bundesregierung und die Europäische Union gefordert, die aber diesen Zusammenhang ignorieren.
Auch wenn es nur eine Illusion ist, so wäre es doch nur allzu konsequent, wenn Bonn (d.h. eigentlich die Bezirksregierung Köln, weil diese für den Luftreinhalteplan zuständig ist), statt Strafe an die EU zu zahlen, die EU auf Schadenersatz verklagen würde. Begründung: die unzumutbare Stickoxid-Belastung durch die transeuropäischen Gütertransporte.
Elisabeth Struwe (BV Bonn/Mitgliedim Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz)