Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Große Anfrage der Allianz für Bonn an den Ausschuss für Soziales, Migration, Gesundheit und Wohnen, Sitzung am 08.11.2016 (DS 1613063)

Von | 18. Oktober 2016

Große Anfrage an den Ausschuss für Soziales, Migration, Gesundheit und Wohnen, Sitzung am 08.11.2016

Fragestellung

Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind in Bonn insgesamt untergebracht, wieviele davon in der Jugendschutzstelle für Jungen und Mädchen der Bundesstadt Bonn in der Wilhelmstraße 38a?
Wie ist ihr Status, wie lange sind sie dort untergebracht und welche Entwicklung ist dort abzusehen?

Fragestellung

Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind in Bonn insgesamt untergebracht, wieviele davon in der Jugendschutzstelle für Jungen und Mädchen der Bundesstadt Bonn in der Wilhelmstraße 38a?
Wie ist ihr Status, wie lange sind sie dort untergebracht und welche Entwicklung ist dort abzusehen?
Wie werden die Jugendlichen betreut, wo gehen sie zur Schule und wer organisiert das?
Welche weiteren städtischen oder freien Einrichtungen in Bonn betreuen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge?

Es werden Jugendliche, aus der Einrichtung Wilhelmstraße in Rheinland-Pfalz (Ahrweiler, Realschule) beschult und von einem dortigen Paten betreut, der auch die Unterkunft in Bonn besucht. Wie ist das zu erklären, wie sind die Zuständigkeiten und wer trägt welche Kosten?
Wie ist die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen dem Schulamt und dem Jugend- und Ausländeramt organisiert, um den Jugendlichen einen regelmäßigen Schulbesuch zu ermöglichen?
Welche Anstrengungen werden seitens des Jugendamtes unternommen, um die Wartezeit auf einen Schulplatz zu verkürzen?

Begründung

Hauptproblem ist die lange Verweildauer in den Jugendschutzstellen ohne regelmäßige Betreuung durch einen Paten, bis für sie geeignete Einzelunterkünfte mit ehrenamtlichen Pateneltern gefunden sind. In dieser Zeit fehlt offenbar auch ein sinnvolles Angebot an Deutschkursen. Die Zuweisung in Bonn untergebrachter Jugendlicher in Schulen in Rheinland-Pfalz führt – neben der nicht nachvollziehbaren Sinnhaftigkeit – zu unzumutbaren Umständen, wie z. B. Abfahrt zur Schule in Ahrweiler ohne Frühstück morgens gegen 6.00 Uhr ab Bonn HBF, um den Schulbeginn 8.00 Uhr in Ahrweiler zu erreichen.

Die Verwaltung nimmt wie folgt Stellung dazu:

Mit dem am 01.11.2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher wurde die Inobhutnahme und Verteilung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UMF) in der Bundesrepublik neu geregelt.

Seit dem 01.11.2015 werden Jugendliche vorläufig dort in Obhut genommen, wo erstmalig ihre Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Im Rahmen eines sog. „Erstscreenings“ wird festgestellt, ob oder inwieweit eine Verteilung der Jugendlichen an ein anderes Jugendamt erfolgen kann. Das Erstscreening umfasst die Alterseinschätzung, eine medizinische Untersuchung und eine Kindeswohlprüfung, um den Schutzbedarf festzustellen und zu klären, ob eine Weiterverteilung das Kindeswohl gefährdet.

Die Umverteilung von UMF ist in den neuen § 42 a – f SGB VIII geregelt. Die Verteilung der in Obhut genommenen Jugendlichen auf eine andere Kommune im selben Bundesland oder in andere Bundesländer erfolgt durch die sog. Landesverteilstelle des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). Das zuständige Bundesland wird dabei durch den sog. Königsteiner Schlüssel ermittelt. Somit ergibt sich für jede Kommune eine Aufnahmequote für UMF.

Die Aufnahmequote für die Bundestadt Bonn beläuft sich aktuell auf rund 230 UMF. Diese Quote wird in Bonn den letzten Monaten auch regelmäßig erfüllt, so dass keine weiteren UMF zusätzlich aufgenommen werden müssen.

In der Jugendschutzstelle in Bonn werden die Jugendlichen für die Zeit der vorläufigen Inobhutnahme (§ 42 a SGB VIII) untergebracht. Sollte der Jugendliche durch den LVR der Bundestadt Bonn zugewiesen werden, erfolgt eine Unterbringung in einer Clearingstelle der ev. Jugendhilfe Godesheim. Ziele des Clearingverfahrens sind der Schutz, die Klärung der Situation und die Perspektiven des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings. Das Clearingverfahren dauert bis zu 3 Monate und ist Grundlage für eine bedarfsgerechte Unterbringung der Jugendlichen.

Mit Beginn des Clearings erfolgt die Ausstellung einer Duldung durch die Ausländerbehörde und die Bestellung eines Vormundes (Amtsvormund od. ehrenamtlicher Vormund) durch das Familiengericht des Amtsgerichtes Bonn. Gleichzeitig wird auch die Anmeldung des Jugendlichen beim Schulamt vorgenommen. Zu Beginn des Schuljahres 2016/2017 konnten laut Auskunft des Schulamtes bislang alle Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 15 Jahren, die bei der zuständigen Beratungsstelle im Schulamt vorgesprochen haben, wohnortnah mit Schulplätzen versorgt werden. Die Nachfrage nach Plätzen im Berufskolleg ist aber weiterhin stark. Aktuell gibt es eine Warteliste mit ca. 30 Jugendlichen, die auf einen Platz in einer Internationalen Vorbereitungsklasse warten.

Nach dem Clearing erhält der UMF im Rahmen der Jugendhilfe die Unterstützung, die aufgrund seines jeweiligen individuellen Bedarfs erforderlich ist (individuelle passgenaue Hilfe). Dabei steht die gesamte „Angebotspalette“ der Jugendhilfe zur Verfügung, von ambulanten Unterstützungsformen bis hin zu stationären Hilfen. Zum Stand September 2016 befanden sich 151 unbegleitete Minderjährige in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe (darunter auch sog. Verselbstständigungsgruppen und -angebote), 30 unbegleitete Minderjährige wurden in (Verwandten)Pflege- bzw. Gastfamilien betreut, und 10 unbegleitete Minderjährige lebten in einer eigenen Wohnung mit zusätzlicher intensiver ambulanter Betreuung. Die übrigen unbegleiteten Minderjährigen erhalten rein ambulante Betreuungs- und Unterstützungsleistungen.

Bei den Jugendlichen, die in Ahrweiler beschult werden, handelt es sich nicht um UMF, die sich in Obhut des Jugendamtes der Bundesstadt Bonn befinden. Nach hiesiger Kenntnis wurden diese UMF durch den Kreis Ahrweiler in Obhut genommen. Da nicht jede Kommune entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten für UMF vor Ort anbieten kann, besteht die Möglichkeit, die Jugendlichen bei freien Trägern der Jugendhilfe an anderen Orten unterzubringen. Von dieser Möglichkeit hat der Kreis Ahrweiler im vorliegenden Fall offensichtlich Gebrauch gemacht. Auch die Kosten für die Unterbringung werden bei dieser Fallkonstellation vom Kreis Ahrweiler getragen.

Eine auswärtige Unterbringung der von Bonn betreuten UMF konnte bisher vermieden werden. Hierzu waren auch enorme Anstrengungen der freien Träger der Jugendhilfe in Bonn notwendig. Insgesamt kann man sagen, dass es in Bonn eine sehr konstruktive und zielführende Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten (Ausländeramt, Schulamt, Jugendamt und freien Trägern) zum Wohle der betroffenen unbegleiteten Minderjährigen gibt.

Ergänzungsblatt – Ergebnis der Beratungen:

  1. Nach dem Schulgesetz NRW müssen minderjährige Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer Zuweisung in der Kommune beschult werden, wo sie untergebracht sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Müssten damit auch die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die aus dem Kreis Ahrweiler kommen und in Bonn untergebracht sind, auch in Bonn beschult werden?
  2. Wenn die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Jugendschutzstellen als sachgerecht angesehen wird, müssten die Jugendlichen dann nicht auch die Angebote im Rahmen des Kinderjugendhilfegesetzes gemacht werden?
  3. Sind in der Stellungnahme ausschließlich die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gemeint, die von der Stadt Bonn untergebracht werden oder sind auch die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gemeint, die vom Land in der Stadt Bonn untergebracht werden?

In dem Fall eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings hat es im Rahmen des Clearing-Verfahrens zwei Jahre gedauert, bis eine Schule besucht werden konnte. Wie kann man hier Abhilfe schaffen?

Die vorstehenden Fragen gehen zurück auf Frau AM Konorza (AfB) zu 1, Herrn AM von Grünberg (SPD) zu 2 und Frau Stv. Schmidt (Grüne) zu 3.
Im Verlaufe der Diskussion schlägt der Ausschussvorsitzende vor, die Große Anfrage mit den Zusatzfragen zur weiteren Beratung in den Jugendhilfeausschuss zu verweisen, dem die Ausschussmitglieder einstimmig folgen.

Der Diskussionsschwerpunkt lag bei den Fragen 1 und 2 bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die von einer anderen Kommune in Bonn untergebracht worden sind und bei Frage 3 auf dem Clearingverfahren.