Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten aus anhängigen Gerichtsverfahren

Von | 19. Januar 2015

Die Bundesstadt Bonn ist Beklagte eines Zivilrechtsstreites vor dem Landgericht Bonn, dessen Kläger die Stadtsparkasse KölnBonn ist. Die Stadtsparkasse fordert von der Stadt Zahlung aus Bürgschaftsverpflichtungen.

Im Blick auf den Abschluss der Haushaltsjahre 2013/2014 ebenso wie auf die Planungen der Haushaltsjahre 2015/2016 stellt die AFD der Stadtverwaltungfolgende Fragen:

1.) Hat die Stadt wegen eventueller Inanspruchnahme aus dem laufenden Prozess in ihrem Abschluss der Haushaltsjahre 2013/2014 eine Rückstellung gebildet?

Falls ja, in welcher Höhe? Falls nein, warum nicht? Ggf. auf welcher gesetzlicher Grundlage?

2.) Hat die Stadt wegen eventueller Inanspruchnahme aus dem laufenden Prozess in ihrem Entwurf des Haushaltsplanes für die Jahre 2015/2016 eine Rückstellung gebildet?

Falls ja, in welcher Höhe? Falls nein, warum nicht? Ggf. auf welcher gesetzlicher Grundlage?

Begründung:

Nach § 88 GO hat die Gemeinde Rückstellungen zu bilden für dem Grunde oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten oder für laufende Verfahren.

§ 36 GemHVO NRW zählt die zulässigen Rückstellungen in Abs. 1 bis 5 enumerativ und abschließend auf, ohne sich im Einzelnen an die Systematik des § 88 GO zu halten.

Die fehlerhafte Systematik erschwert die gesetzliche Einordnung. In Betracht kommt eine Subsumtion sowohl unter § 36 Abs. 4 GemHVO als auch unter § 36 Abs. 5 GemHVO.

„Für drohende Verluste … aus laufenden Verfahren müssen Rückstellungen angesetzt werden, sofern der voraussichtliche Verlust nicht geringfügig sein wird“, so § 36 Abs. 5 GemHVO.

§ 36 Abs. 4 GemHVO schreibt allgemein die Bildung von Rückstellungen für zum Abschlussstichtag ungewisse Verbindlichkeiten vor. Dabei „muss“, so § 36 Abs. 4 Satz 2 GemHVO, „wahrscheinlich sein, dass eine Verbindlichkeit zukünftig entsteht, die wirtschaftliche Ursache vor dem Abschlussstichtag liegt und die zukünftige Inanspruchnahme voraussichtlich erfolgen wird.“

Unseres Erachtens sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen beider Normen erfüllt. Geht man davon aus, dass § 36 Abs. 5 GemHVO lex specialis gegenüber § 36 Abs. 4 GemHVO ist, sollten die Rückstellungen auf Abs. 5 gestützt werden.

Im Ergebnis kann kein Zweifel bestehen, dass Rückstellungen überhaupt erforderlich sind. Im kaufmännischen Bereich ergibt sich das zwingend aus § 249 HGB und der dazu ergangenen Rechtsprechung und Literatur. § 88 GO NRW fußt inhaltlich auf § 249 HGB. In anderen Bundesländern werden „drohende Verpflichtungen aus anhängigen Gerichts- und Verwaltungsverfahren“ (so z. B. § 70 Nr. 6 SächsKomHVO-Doppik) ausdrücklich erwähnt.

Die Rückstellungen sind „in angemessener Höhe“ zu bilden (§ 88 GO). Üblich ist es, 50 vom Hundert des eventuellen Verlustes rückzustellen, da die Wahrscheinlichkeit bei Gericht zu obsiegen oder zu unterliegen, prinzipiell bei 50 v.H. liegt. Daraus ergäbe sich die Notwendigkeit einer Rückstellung in Höhe von ca. 42 Mio. Euro, bezogen auf eine Klagesumme von ca. 82 Mio. Euro und Prozesskosten in Höhe von ca. 2 Mio. Euro.

Der Ausweis einer Rückstellung für einen Drohverlust aus schwebenden Gerichtsverfahren in einem Jahresabschluss enthält kein Teilanerkenntnis der Schuld. Er ist aus reinen Vorsichtsgründen zwingend, um ein tatsächliches Bild auch der Haushaltsrisiken wiederzugeben. (WB)